Brüssel – Stadt der Gerüche, Kulturschock.

Wieder mal gute Nacht im Nachtzug! Heute starte ich mit einem wirklich stark zerlegten Fahrrad (nachdem es bei der Fahrt nach Berlin ja doch nicht so einfach war) in meine Reise und kann es dieses Mal sogar komplett unter den Liegen im Liegewagen verstauen! Super!

Meine Mitfahrerin hatte auch nichts dagegen – so ergab sich dann auch gleich ein Gespräch über 4 Stunden über dies und das – bis es dann Zeit war, schlafen zu gehen und in Belgien aufzuwachen! Natürlich nicht, ohne in Seekirchen mal kurz aus dem Zug zu winken – Hallo Mama, hallo Papa!

Nachdem die ÖBB in der App behauptet, wir seien pünktlich (obwohl wir durch Deutschland gefahren sind), bin ich um dreiviertel 10 bereit zum Aussteigen. Naja. Dann doch noch 30 Minuten aus dem Fenster schauen!
Mein armes Fahrrad!
Offensichtlich aber nichts verloren, deshalb gut wieder zusammen gebaut 😀
Es ist kalt! Und ich hab 2 Regenhosen, aber keine Regenjacke mit. Upsi.

Das hier ist übrigens ein Bahnhof. Ja wirklich. BX Nord ist die Bezeichnung. Ein kleiner Schock, wenn man aus dem Gebäude kommt; alles ist laut, überall werden rundherum Häuser zerlegt; während ich mich wärmer angezogen habe, wurden meine Sachen von einem Dreck- Staubnebel bedeckt. Yummy.

Die Straße runter dann eine spannende Entdeckung – ein Apachen – Pub (für alle nicht so versierten Schuh-des-Manitu Kenner): Hier stehen nur Häuserfassaden ohne Inhalt! Es gibt auch scheinbar eigene Fassadenhalter-Konstruktionen, welche die 2D-Fassade halten, bis dahinter ein neues Gebäude entstanden ist.
Hier hat mir das Herz geblutet. Hätte man nicht renovieren können? In Wien ist der Flair einer Altbauwohnung doch unbezahlbar. Hier wird das Gebäude aber scheinbar zumindest zum 2. Mal entkernt… Die aktuelle Tragstuktur besteht auch schon aus Beton.

Ein bisschen nachlesen ergibt: Die Stadt ist namensgebend für einen Begriff, der das Einreißen von Gebäuden mit geschichtlichem sowie architektonischem Wert, um sie durch moderne Bürogebäude zu ersetzen, beschreibt: Die Brüsselisierung.

300 Architekten aus aller Welt versuchten vor der Expo58 die Stadt Brüssel davon zu überzeugen, dass Gebäude, welche zum Stadtbild beitragen, schützenswert sind und nicht eingerissen werden sollen. Leider ohne Erfolg – das Stadtbild prägen nun eine wilde Kombination aus Wohn- und Büroblocks mit maximalem Fassungsvermögen, alten, schönen Häusern sowie ausgehöhlten Fassaden mit neuen Bauten dahinter.

Zumindest ein schön erhaltenes Gebäude hab ich gefunden!
Zufällig, wie ich nachher erfahre, habe ich mir als Mittagessen bei einem der bekanntesten Pommesstände einen Snack geholt – sehr gut!
Gleich neben dem Börsenplatz finde ich den Grand Place mit dem Rathaus und echt vielen vergoldeten anderen Gebäuden.
Die königlichen Galerien St. Hubert sind wirklich schön!
In der Rue des Bouchers, der Restaurantstraße Brüssels, bin ich verwundert über die Vielfalt der Zustände der Gebäude. Eingeschlagene Fensterscheiben neben fancy Lokal, zugenageltes Schaufenster neben Brasserie.
„Einkaufszentrum“ mit einem Zugang, wo ich nicht alleine durchgehen wollen würde.

Geruchstechnisch ist es auch sehr spannend hier – ich weiß nicht genau, ob heute Mülltag ist; jedenfalls wechseln sich hier gerade Fischgeruch von Lokalen, Verwesungsgeruch von auslaufenden Müllsäcken sowie Frites-Geruch mit Waffelgeruch ab. Yuck! Ich schau, dass ich von hier weg komme.

Ich fahre ein wenig am Kai des Brüsseler Kanals entlang. Ich finde eine (Erasmus-) Universität. Ich bin unendlich dankbar, dass die technische Universität Wien, trotz Freihaus, um einiges mehr Flair hat.

Außerdem bin ich hier sehr, sehr froh, am Rad zu sitzen und schneller als die Fußgänger hier zu sein. Irgendwie sind mir die Leute in diesem Viertel nicht ganz geheuer. Schon am Hauptplatz ist mir aufgefallen, dass es hier eine riesige Kluft zwischen Büroangestellten im Anzug (Führungen durch Brüssel als Arbeitspause) und leider wirklich nicht gut riechenden Menschen mit durchlöcherter Kleidung (fragen nach Essen, Geld, schreien herum) gibt. Dazwischen gibt’s irgendwie nicht viel. Junge Familien, Studenten, alte Leute sind hier deutlich unterrepräsentiert.

Auch im Bereich des Kais gibt es für mich Grund zur Verwunderung. Warum wird ein toller, teurer, überdachter Skatepark gebaut, anstatt zumindest einmal die Häuser daneben herzurichten, oder einfach nur zu putzen?
Apropos putzen: Alle, wirklich alle historischen Gebäude sind in Brüssel maximal verschmutzt. Ja, sie sind hübsch und erhalten, aber jedes einzelne Gebäude in den Fußgängerzonen, an den Straßen, ist dermaßen verdreckt… Schmutzspuren ziehen sich über ganze Gebäudefronten.
Hier zum Beispiel, wieder am Kai, ein schönes Schaubild; im unteren Bereich ist die Ziegelmauer geputzt, oben sieht sie wie alle anderen Gebäude in Brüssel aus.
Schön, ich hab ein kleines Riesenrad gefunden – vor dem Kriegerdenkmal!
Ob der ganze Schmutz (und der Nebel) an dem großen Anteil an Autoverkehr liegt?

Zum Vergleich der Modal Split der sich in Brüssel fortbewegenden Personen:
– 49% Auto (in Wien: 26%)
– 45% Öffis (in Wien: 32%
– 4% Fußgänger (in Wien: 32%)
– 2% Fahrradfahrer (in Wien: 10%) – obwohl hier die Fahrradwege eigentlich sehr gut ausgebaut sind! Aufgefallen ist es mir schon, ich war meistens alleine auf den Radwegen unterwegs. Lediglich ein paar verrückte Scooterfahrer mit Motorradhelm sowie freihändig fahrende Fahrradfahrer haben mich bei 30km/h überholt.

Schon in Wien gibt es ja 2 große Straßen mitten durch die Stadt – aber hier schlagen die 8-spurigen Straßen durch die Innenstadt diesen Rekord nochmals. Muss das sein?

Dieses Bild fasst sehr gut zusammen, was ich heute gesehen habe: Eine schmutzige Stadt, mit einem schmutzigen Fluss, verwahrlosten Grafitti; ein bisschen scheint der ungepflegte Glanz einer früheren Zeit durch die erhaltenen Fassaden durchzuglitzern.

Es sind wenige Menschen unterwegs. Diejenigen, die es sind, sprechen wenig bis gar nicht miteinander, befinden sich in ihrer eigenen Welt, abgekapselt (normal tu ich mir nicht schwer, mit irgendwelchen Leuten zu plaudern, aber ich habe heute kein einziges Gespräch geführt – abgesehen von einer Italienerin im Zug, welche mir in Brüssel nichts empfehlen konnte, was ich mir angesehen soll).

18km heute!

Kommentare

2 Antworten zu „Brüssel – Stadt der Gerüche, Kulturschock.“

  1. Hi my dear, so glad to hear from you!
    Alone the fact how you rearranged your bike is a story!
    Naturally you’re showing lots of buildings all sorts, as you mentioned: they all look a bit dark and dirty…pityfull for some buildings are very nice!
    Thanks a lot for sharing this excursion!
    Please take good care of yourself❤️

  2. Klingt überhaupt nicht verlockend 🙈, hoffe, Du hattest trotzdem eine gute Zeit 😘

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